Möhrenfeld

Liebes Tagebuch, leider kommen schwere Zeiten auf uns zu. Wie gern habe ich dir meine Geheimnisse und Wünsche mitgeteilt, wohlwissend, dass du alles für dich behalten wirst was ich dir anvertraue. Doch jetzt gibt es da diesen Mann... Dieser Mann hat keinen Respekt vor unserer Beziehung und will unbedingt alles was ich dir schreibe lesen können. Er glaubt nämlich ich würde dir vielleicht auch erzählen wenn ich böse Dinge tun wollte, zum Beispiel Leute in die Luft sprengen oder Flugzeuge entführen.

Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.
http://www.taz.de/pt/2007/02/08/a0169.1/text

Was meinst du, Tagebuch? Ach du meinst, wenn ich sowas schreiben würde, würde ich dich wohl besser verstecken? Zum Beispiel verschlüsselt? Oder auf einem USB-Stick? Da könntest du natürlich Recht haben. Aber ich glaube er vertraut einfach darauf, dass Terroristen ziemlich blöd sind. Müssen sie ja auch sein, sonst würden sie ja auch nicht seinen Bundestrojaner starten, den er ihnen schicken will. Er selbst würde das ja auch nicht tun.

Nein, ich öffne grundsätzlich keine Anhänge von E-Mails, die ich nicht genau einschätzen kann. Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.
http://www.taz.de/pt/2007/02/08/a0169.1/text

Tja da siehst du es, liebes Tagebuch. Anständigen Leuten schickt das BKA keine Trojaner. Wie, woher sie denn wissen wollen, das die Leute anständig sind? Naja.. ich nehme an die werden schon einen 100% sicheren Weg finden, die bösen Leute rauszufinden, bevor sie ihnen so etwas schicken oder?

Polizei und Justiz dürfen sich dem technischen Fortschritt jedenfalls nicht verschließen. Denken Sie an die Nutzung der DNA-Analyse. Sie hat viele Fahndungserfolge gebracht, aber auch vielen fälschlich verdächtigten oder verurteilten Menschen ermöglicht, ihre Unschuld zu beweisen. Technischer Fortschritt ist in einem Rechtsstaat auch ein wesentlicher Beitrag für mehr Gerechtigkeit. Orwell'sche Visionen halte ich deshalb für ziemlich übertrieben. Wir wollen nicht den gläsernen Menschen, und Sie können sicher sein, dass wir uns immer im Rahmen der geltenden Rechtsordnung halten.
http://www.taz.de/pt/2007/02/08/a0169.1/text

Da hörtst du es! Sie können sogar beweisen das ich unschuldig bin, indem sie mir einen Trojaner schicken! Was meinst du damit, jeder ist sowieso bis zum Beweis seiner Schuld als unschuldig zu betrachten? Das ist doch schon lange nicht mehr so, nun werd' mal nicht nostalgisch. Allerdings scheinen da ein paar Leute etwas dagegen zu haben, dass man alles was sie online tun aufzeichnet. Aber mit denen muss man sich ja nicht unbedingt auseinandersetzen.

Gegen die ebenfalls geplante Vorratsspeicherung aller Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungsdaten wollen 10.000 Menschen Verfassungsbeschwerde einlegen. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?

So etwas regt mich nicht mehr auf.
http://www.taz.de/pt/2007/02/08/a0169.1/text

Siehst du! So ein paar tausend Spinner regen ihn schon gar nicht mehr auf. Denen kann man ja auch gleich als erstes so einen Bundestrojaner verpassen. Die haben sicher was zu verbergen. Aber er will ja noch mehr für unsere Sicherheit tun. Kennst du diese neuen biometrischen Pässe? Und diese Autobahnbrücken? Bei letzteren hat er noch dafür gestimmt, das man die Daten nicht für andere Zwecke außer der Mautabrechnung einsetzen darf. Immerhin hat er seinen Fehler jetzt erkannt!

Es könnte also sein, dass die biometrischen Daten der neuen Ausweispapiere, wenn diese erst einmal eingeführt sind, doch in einer großen Datei zusammengeführt werden - einer Datei, auf die Polizei und Verfassungsschutz dann Zugriff haben?

Ich bin mit Aussagen für die Ewigkeit sehr zurückhaltend.

Sagen Sie das jetzt, weil man bei den Mautdaten schon einmal versprochen hat, dass sie nicht für Fahndungszwecke eingesetzt werden, und Sie das jetzt doch planen?

Ja, daraus habe ich gelernt. Ich bekenne, auch, ich habe Ende 2004 der Regelung im Mautgesetz zugestimmt, die eine Verwendung der Mautdaten für Fahndungszwecke ausdrücklich verbietet. Aber wie mein Kollege, der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz, halte ich das heute für einen schweren Fehler.
http://www.taz.de/pt/2007/02/08/a0169.1/text

Liebes Tagebuch, es kommen schwere Zeiten auf uns zu. Aber vielleicht kann man doch noch was für unsere Beziehung tun. Ich besorge mir erstmal einen guten Virenscanner, oder noch besser einfach ein anderes Betriebssystem. Oder wenn alle Stricke reissen... dann schreibe ich dich eben wieder auf Papier.

Update:
Udo Vetters Hoffnung, das ganze Interview wäre eine Satire der taz hat sich leider nicht bewahrheitet. Zitat: Nein, versicherte mein Gesprächspartner, so weit er wisse, sei der Innnenminister bei dem Gespräch nüchtern gewesen. Der Politiker habe auch nicht übernächtigt gewirkt. Man müsse wohl davon ausgehen, dass da der echte Schäuble gesprochen hat.

2. Update:
Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken. Diesen Satz von Schäuble habe ich oben selbst zitiert. Udo Vetter stellt daraufhin die neue Definition von "Anstaendig" auf.